Dating-Apps haben Beziehungen verändert
Schon immer haben Menschen Medien und Technologie genutzt, um potenzielle Partner zu finden – von Kontaktanzeigen in Zeitungen bis zu den ersten computergestützten Partnervermittlungen in den 1960ern. Die ersten modernen Online-Dating-Websites kamen in den 1990ern auf, und das Zeitalter der Smartphone-Dating-Apps begann in den 2010ern, als Tinder 2012 startete. Und nichts würde so sein wie vorher – zumindest nicht beim Dating!
Während in den 2010ern jeder Tinder kannte gaben die meisten ungern zu, auch dort aktiv zu sein. Erst die COVID-19-Pandemie Online-Dating führte zur Normalisierung von Online-Dating. Plötzlich nutzten es alle. Tinder stellte am 29. März 2020, kurz nach Beginn des Lockdowns, mit über 3 Milliarden Swipes an einem Tag einen Weltrekord auf. Andere Dating-Apps erlebten ähnliche Erfolge. Was vielleicht mit Langeweile und Einsamkeit begann, entwickelte sich zu einer gesellschaftlichen Veränderung im Dating-Verhalten, da Nutzer erkannten, wie bequem und einfach es ist, über Apps neue Leute kennenzulernen. Laut einer Forbes Health-Umfrage betrachten 45 % der Amerikaner Dating-Apps im Jahr 2025 als quasi das Normalsetting um neue Partner kennenzulernen.

Die grossen Drei
Die weltweit am häufigsten heruntergeladene Dating-App ist Tinder. Sie wurde 2012 eingeführt und war die erste mit der inzwischen weit verbreiteten Swipe-Funktion. Die App wuchs schnell und erreichte im Oktober 2014 eine Milliarde Swipes pro Tag. 2015 wurde die kostenpflichtige Version Tinder Plus eingeführt, gefolgt von Tinder Gold. Bis 2017 war sie die umsatzstärkste App im App Store. Obwohl Tinder definitiv der Vorreiter unter den modernen Dating-Apps ist, ist sie nicht unbedingt die beliebteste – besonders bei Menschen, die ernsthafte Beziehungen suchen.
Zur gleichen Zeit wurde Hinge entwickelt und 2013 eingeführt. Die App wurde so gestaltet, dass sie tiefgründiger escheint als Tinder, mit ausführlicheren schriftlichen Profilen. Anstatt zu wischen, müssen Nutzer ein bestimmtes Foto oder eine Textaufforderung „liken“, mit der Option, auch eine Nachricht zu senden. Während Tinder heute hauptsächlich als Hookup-App gilt, vermarktet sich Hinge als „Beziehungs-App“ mit dem Slogan „die Dating-App, die dafür gemacht ist, gelöscht zu werden“.
2014 gewann eine Tinder-Mitgründerin eine Klage gegen das Unternehmen wegen sexueller Diskriminierung und Belästigung. Drei Monate später brachte sie Bumble auf den Markt, die „feministische Dating-App“ – der Hauptunterschied zu anderen ähnlichen Apps besteht darin, dass bei heterosexuellen Matches nur die Frau das Gespräch beginnen kann. Es gibt auch eine 24-Stunden-Frist, um das Gespräch mit Matches zu starten. Weitere bekannte Funktionen der App sind Bumble BFF und Bumble Bizz, die Nicht-Dating-Modi der App, um Freunde bzw. geschäftliche Kontakte zu finden.

(Zu-) Viele Apps
Der Markt für Dating-Apps wächst immer noch, und es gibt viele verschiedene Optionen zur Auswahl. OkCupid und eHarmony sind Klassiker, beide in den 2000ern gestartet, und haben immer noch Millionen von Nutzern. Beide bieten Fragebögen an, die Nutzer ausfüllen, um dann mit anderen Nutzern gematcht zu werden, deren Antworten am kompatibelsten sind. Plenty of Fish ist eine weitere ältere App, die in den USA immer noch beliebt ist und sich auf Messaging konzentriert – es ist eine der wenigen Dating-Apps, bei der man jemanden anschreiben kann, ohne ein Match zu haben.
Dann gibt es eine ganze Reihe von Nischen-Dating-Apps, die auf ein spezifischeres Zielpublikum ausgerichtet sind. Die bekannteste davon ist Grindr, die grösste Dating-App für LGBTQ-Personen. Während Grindr für alle offen ist, lag der Fokus immer mehr auf schwulen Männern – daher kam Her, eine Dating-App für LGBTQ-Frauen, trans und nicht-binäre Personen.
In einer anderen Nische gibt es religiöse Dating-Apps. Christian Mingle ist eine der beliebtesten Dating-Apps in den USA. Es gibt ähnliche Apps für andere wichtige Religionen, wie Muzz für Muslime. Diese helfen Menschen, Partner mit ähnlichen religiösen Überzeugungen und Wertesystemen zu finden.
Während die meisten relevanten Dating-Apps in Amerika ansässig sind, hat Europa einige Apps, die regional beliebter sind. Badoo, Happn, Lovoo, Meetic, Adopte… um nur einige zu nennen. Die meisten davon haben ziemlich ähnliche Funktionen. Badoo ist eine Mischung aus sozialem Netzwerk, Chatroom und Dating-App, die es Nutzern ermöglicht, sich gegenseitig Nachrichten zu senden, ohne ein Match zu haben. Happn spezialisiert sich darauf, hyperlokale Personen basierend auf deinem Standort zu finden, insbesondere Menschen, denen du möglicherweise bereits im echten Leben begegnet bist. Jedes Land (und manchmal sogar jede Stadt) hat seine eigenen beliebtesten Apps, und diese ändern sich von Jahr zu Jahr.
Eine weitere App, die heraussticht, ist Raya. Diese wurde geheim eingeführt, ohne öffentliches Marketing, und ist exklusiv für Personen mit Empfehlungen, nur für Mitglieder (ab 24,99 $ pro Monat in den USA) und nur auf Apple-Produkten verfügbar. Anscheinend werden nur 8 % der Bewerber akzeptiert. Sie begann als Promi-Dating-App, obwohl dieses Image im Laufe der Jahre verblasst ist, da mehr Menschen auf die App zugelassen wurden. Laut verschiedenen Nutzererfahrungen ist sie jetzt voll von Sportlern, Influencern und verschiedenen wohlhabenden Personen oder sonst irgendwie wichtigen Personen. Oder sich zumindest für wichtig halten.
Die Schattenseite
Obwohl es viele Apps zur Auswahl gibt, verwenden sie grösstenteils die gleichen Formate und Algorithmen. Du postest Bilder, schreibst eine kurze Beschreibung und scrollst dann endlos durch ähnlich oberflächliche Profile in der Hoffnung, ein Match zu finden – sei es für ein Treffen, ein lockeres Date oder einen potenziellen Lebenspartner.
Die meisten wichtigen Apps gehören demselben Unternehmen, der Match Group. Sie besitzen Tinder und Hinge sowie OkCupid, Plenty of Fish, Meetic und viele weitere Nischen-Apps – insgesamt 45 Apps (2025). Wie viele Nutzer erkannt haben, ist das Ziel dieser Apps nicht, dir zu helfen, einen Partner zu finden und die App zu löschen (was auch immer Hinge’s Slogan behauptet) – ihr Ziel ist es, dich so lange wie möglich auf der App zu halten und dabei Geld zu verdienen.

Von 2022 bis 2025 war Bernard Kim CEO der Match Group, zuvor Präsident des Videospielentwicklers Zynga (bekannt für das süchtig machende Facebook-Spiel Farmville). Das macht Sinn, wenn man bedenkt, dass Tinder ursprünglich so gestaltet wurde, dass es wie ein Kartenspiel aussieht. Die Idee war, Dating zu gamifizieren. Am Anfang hat das auch funktioniert. Aber nach einiger Zeit führte es zu einem Rückgang der Nutzerzufriedenheit sowie zu Sicherheitsbedenken – Dating-Apps sind seit langem berüchtigt dafür, Orte zu sein, an denen (meistens) Frauen belästigt werden, und sich mit fremden Männern aus dem Internet zu treffen, birgt immer ein Risiko. Allerdings ist es teuer und ressourcenintensiv, Systeme und Teams einzurichten, die sicherstellen, dass Nutzer, die wegen Belästigung und Missbrauchs gemeldet wurden, keine neuen Konten auf den Plattformen erstellen können, und wird oft nicht als Priorität angesehen.
Letztendlich steht hinter jeder Website oder App ein Unternehmen, und das Ziel eines Unternehmens ist es, profitabel zu sein. Alle anderen grossen Dating-Apps haben ähnliche Strategien wie die Match Group verfolgt, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Branche der Dating-Apps profitiert von menschlicher Einsamkeit und dem Wunsch nach Verbundenheit und verdient direkt an einigen der persönlichsten Aspekte unseres Lebens. Die Menschen beginnen, dies zu bemerken.
Wachsende Unzufriedenheit
Laut einer Umfrage leiden 78 % der User sogar von einem “Burn-Out” von Dating-Apps, mit höheren Zahlen bei Gen Z und Millennials. Als Gründe wurden genannt: die Unfähigkeit, eine gute Verbindung zu jemandem zu finden, Enttäuschungen durch Menschen, das Gefühl der Ablehnung, sich wiederholende Gespräche, das Swipen und die allgemein auf den Apps verbrachte Zeit.
Zudem gaben 41 % der Befragten an, schon einmal geghostet worden zu sein, während 38 % berichteten, Opfer von Catfishing geworden zu sein.
Viele Nutzer empfinden die Nutzung von Dating-Apps als ermüdend: ständiger Small Talk mit neuen Personen, stundenlanges Texten ohne Ergebnis und das Beurteilen von Menschen anhand weniger Fotos und kurzer Beschreibungen. Oft endet die Kommunikation abrupt, wenn das Gegenüber mitteilt, „nichts Ernstes zu suchen“.
Unterschiedliche Erfahrungen von Männern und Frauen
Männer berichten häufig von Schwierigkeiten, Matches zu erzielen oder erfolgreiche Gespräche zu führen. Dies könnte daran liegen, dass Männer Dating-Apps intensiver nutzen und eine höhere Anzahl an Profilen liken als Frauen. Frauen hingegen suchen oft nach emotionalen und langfristigen Verbindungen und sind daher selektiver bei der Auswahl ihrer Matches. Zudem sind Frauen vorsichtiger, da sie häufiger Belästigungen erfahren und Treffen mit unbekannten Männern ein höheres Risiko darstellen.
Die Zukunft der Dating-Apps
Seit dem vierten Quartal 2022 verzeichnet Match Group einen Rückgang zahlender Nutzer, und die Aktien von Bumble fielen Ende 2024 um 30 %. Jüngere Generationen wenden sich zunehmend von Dating-Apps ab und bevorzugen authentischere Wege, Menschen kennenzulernen, wie persönliche Treffen. Laut einer Statista-Umfrage aus dem Jahr 2023 nutzen nur 26 % der Generation Z Dating-Apps, im Vergleich zu 61 % der Millennials.
Als Reaktion darauf investiert Bumble in Marketing und KI-gesteuerte Funktionen, um jüngere Nutzer anzusprechen, und legt einen stärkeren Fokus auf Sicherheit. Auch Match Group verfolgt ähnliche Strategien und hat Anfang 2025 einen neuen CEO eingesetzt. Ob diese Massnahmen erfolgreich sein werden oder ob Dating-Apps ihren Höhepunkt überschritten haben, bleibt abzuwarten.
